Was sich anhört wie eine gemütliche Kaffeefahrt, war in Wirklichkeit ein hochdramatisches Fußballspiel und Werbung für den Fußball. Leider nicht mit dem gewünschten Ende für unsere Reds.
Aber der Reihe nach. Auf dem Papier sah alles so einfach aus. Unsere Reds, als Spitzenmannschaft mit einer bisher fast tadellosen Saison Leistung, mussten zum Aufsteiger nach Brentford, zu den „Bees“. Da neigt man schnell dazu zu sagen, ein Sieg ist Pflicht oder leichtes Programm, sichere 3 Punkte. Wer allerdings unseren heutigen Gegner Brentford – so wie ich – in den letzten Jahren ein wenig verfolgt hatte, der wusste genau, dass dort etwas in aller Ruhe aufgebaut wurde und mit Thomas Frank einen Top Manager an der Seitenlinie steht, der im Verein vollstes Vertrauen genießt und akribisch den diesjährigen Aufstieg in die Premier Leauge erarbeitet hat.
Gleich mit dem Anpfiff, in Minute 7. wollten unsere Reds durch Mo Salah ein Zeichen setzen. Nachdem er alleine auf Torwart Raya zulief und diesen schon überwunden hatte, war es dann Brentfords Verteidiger Ajer der in aller letzter Sekunde den Ball noch vor der Linie rettete. 11. Minute, also fast im Gegenzug, spielte sich eine fast identische Szene im Strafram der Reds ab. Diesmal war es Joel Matip, der den Ball von Brentfords Toney auf bzw. kurz vor der Linie retten musste, nachdem Toney bereits Alisson überwunden hatte. Nun war schon klar, dass es hier nicht um Aufsteiger gegen Meisterschaftsanwärter geht, sondern um ein Fußballspiel auf Augenhöhe. In Minute 18. gleich die nächste Schnappatmung für die Reds, im Strafraum trifft Alexander-Arnold Brentfords Stürmer Mbeumo, welcher sich aber nicht fallen lässt und weiterspielt. Somit kein Foul, kein Pfiff. Fehlende Cleverness von Mbeumo oder einfach Fair Play, das darf an der Stelle jeder für sich bewerten.
Die Spielidee von Brentford ist nicht auf Ballbesitz ausgerichtet und schon gar nicht darauf, sich hinten reinzustellen, sondern Druck auf den Gegner ausüben und durchaus riskante Bälle nach Vorne spielen, die man dann idealerweise auch verwertet. Daher war es auch nicht überraschend, dass Liverpool bis dahin ca. 73 % Ballbesitz hatte. Frei nach Jonathan Frakes, Sie glauben diese Taktik ist frei erfunden? Das muss ich Sie enttäuschen, denn in Minute 27. ging Brentford tatsächlich durch Ethan Pinnock mit 1:0 in Führung. Von Rechts kam der Ball parallel zur Torlinie, durch den Strafraum, vorbei an allen und am langen Pfosten war es dann Fabinho, der den Pressschlag gegen Pinnock verlor.
Die Freude hielt bei den Anhängern der „Bees“ aber nicht lange an, denn in der 31. Minute konnte der starke Jordan Henderson den Ball in aller Ruhe in den Strafraum zu Diogo Jota flanken und der nahm es dankend an, köpfte ein zum 1:1 Ausgleich.
Es sollten dann auch gleich die Weichen auf Sieg gestellt werden und nachdem in Minute 39. Curtis Jones Fernschuss noch an den Pfosten ging, brauchte Jota eigentlich nur noch zum 2:1 aus Sicht der Reds einschieben, aber statt das kurze Eck anzuvisieren ging sein Schuss wohl etwas zu sehr in die Mitte und der an dem Abend bärenstarke Keeper Raya reagierte mit einem Wahnsinns-Reflex und lenkte den Ball noch neben das Tor. So ging es mit einem 1:1 in die Pause.
In Halbzeit zwei ging es dann munter weiter. Die Reds eigentlich spielbestimmend, mit einigen Chancen, die aber entweder von der guten Defensive der „Bees“ oder eben von Keeper Raya vereitelt wurden. Dann die 53. Minute und endlich konnte Liverpool eine der doch vielen Chancen verwerten, Mo Salah netzte ein zum 2:1, drehte allerdings sofort beim Jubel ab, denn der Referee an der Seite hatte die Fahne oben, Abseits. Nun muss ich tatsächlich schreiben, gut das es den VAR gibt, denn dieser hatte gesehen, das am oberen Spielfeldrand ein Verteidiger von Brentford das Abseits aufhob, also Tor! Aber nicht irgendein Tor, sondern das 100. Tor für Liverpool von Mo Salah. Dies gelang zuvor nur 6 Spielern, aber keinem so schnell wie Salah. Somit dürften die „One Season Wonder“ Schmäh-Gesänge der gegnerischen Fans wohl für immer verstummen.
Die Präsenz durch Liverpool wurde immer größer und nach gut 60 Minuten hatte Liverpool 82% Ballbesitz. Es war also nur ein Frage der Zeit, wann man die Ballbesitz-Überlegenheit auch in Tore ummünzte. So dachte man zumindest, aber erneut wollte Brentford unter Beweis stellen, dass der Erfolg nicht nur aus Ballbesitz resultiert, so war es der ex-Bochumer und U21 Nationalspieler Vitaly Janelt, der vor den Augen von Nationaltrainer Hansi Flick den Ausgleich zum 2:2 erzielte. Zunächst scheiterte Jansson noch an der Latte, aber den Nachschuss von Janelt konnte Alexander-Arnold erst hinter der Linie retten. Wieder kam die Flanke über rechts und man muss einfach sagen, dass Andy Robertson heute wahrlich nicht seinen besten Tag hatte. Weswegen Jürgen Klopp ihn nicht erlöste und den aktuell sehr starken Tsimikas brachte, bleibt – zumindest vorerst – sein Geheimnis.
Es ging munter weiter und in der 67. Minute war es dann Curtis Jones der erneut aus 20 Metern abzog und diesmal nicht nur den Pfosten traf, sondern ohne Chance für Raya einnetzte. 3:2 für die Reds. Dies sollte dann auch gleich die letzte Aktion für Jones gewesen sein, direkt danach ging er raus und wurde durch Bobby Firmino ersetzt. Dies war übrigens der einzige Wechsel, den Klopp an diesem Abend vornahm.
Liverpool war sich bewusst, dass eine 3:2 Führung zu knapp war und drängte auf das vermeintlich sichere 4:2. So war es dann auch einmal mehr Mo Salah, der in der 76. Minute dann die 100%ige Chance dazu hatte, den Deckel endgültig drauf zu machen. Mo Salah lief alleine auf Torwart Raya zu und brachte den Ball tatsächlich irgendwie noch über das Tor. An der Stelle zitiere ich gerne den Reporter von Sky „solche Chancen verwandelt er normalerweise mit verbundenen Augen und zusammengebundenen Füßen“. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Der wohl meistgesagte Satz in dem Moment war vermutlich „Wenn sich so etwas nicht rächt…“ und es sollte sich leider rächen, denn in Minute 82. kam – wieder über rechts – ein Flanke in den Strafraum, die keiner der Reds so richtig klären konnte und Wissa war derjenige, der den Ball letztendlich über die Linie zum 3:3 stocherte.
Kurze Schnappatmung – wieder einmal – in Minute 87. auf Seiten Liverpools, denn Toney schiebt den Ball zum vermeintlichen 4:3 ins Tor und das eigentlich gerade erst aufgebaute, neue „Community Stadium“ stand schon kurz wieder vor dem Abriss durch die Fans von Brentford, aber aller Jubel umsonst, Toney stand eindeutig im Abseits.
Es wäre wohl auch zu viel des Guten gewesen, wenn Brentford dieses Spiel am Ende noch für sich entschieden hätte. Es blieb dann letztendlich beim sicher gerechten 3:3 Unentschieden. Aus Sicht von Liverpool muss man klar sagen, eigentlich zu wenig, denn wenn man Meister werden will, plant man bei den Aufsteigern eigentlich 6 Punkte ein. Anderseits muss man aber auch so fair sein und sagen, dass Brentford heute einfach bärenstark aufgespielt hat. Unsere Abwehr war leider etwas wackelig, wenngleich man eigentlich auch keinem Spieler nachsagen kann, dass er heute extrem gepatzt hat. Kritik muss sich neben Robo sicherlich auch Klopp gefallen lassen. Mit Origi und Minamino hatte er noch zwei Offensivkräfte, die sich aktuell durchaus in Form zeigen, auf der Bank. Wer weiß, vielleicht hätte eine oder zwei frische Kräfte noch für die endgültige Entscheidung pro Liverpool gesorgt.
Die wichtigste Erkenntnis des Abends ist aber: Liverpool – Top of the league!